Der „Geheimcode“

Ein immer wiederkehrendes und umstrittenes Schlagwort beim Thema Zeugnisschreibung ist der sogenannte „Geheimcode“, durch den sich Arbeitgeber und Vorgesetzte durch bestimmte Formulierungen die Schwächen eines Bewerbers signalisieren.

So deutet z.B. die Aussage „Mit seiner Geselligkeit trug der zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“ auf Alkohol-konsum im Dienst hin. Tatsächlich tauchen derart codierte Aussagen in Arbeitszeugnissen allerdings nur äußerst selten auf und könnten mit teuren Schadensersatzklagen durch den Zeugnisempfänger beantwortet werden. Denn erlaubt sind sie nicht (siehe Urteil vom LAG Hamm), da der Arbeitgeber bei der Zeugnisschreibung nicht nur zur Wahrheit, sondern auch zu verständigem Wohlwollen verpflichtet ist.

Die für Laien oft unverständliche und undurchschaubare „Zeugnissprache“ ist vielmehr Folge eines Entwicklungs-prozesses. Unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber verlangten verständigen Wohlwollens hat sich bei Personalfachleuten eine allgemein anerkannte Skala von Formulierungen durchgesetzt, bei der die Beurteilung der Leistung über eine Aufstufung der positiven Bewertung erfolgt.

Eine einfach positive Bewertung wie „er erfüllte alle Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“ wäre demnach keine Empfehlung, solange Adverben wie „stets/jederzeit“ und Adjektive wie „zur vollen/größten Zufriedenheit“ den positiven Ausdruck nicht deutlich anheben. Eine sehr gute Leistungszusammenfassung lautet demnach z.B. „Er führte alle Aufgaben stets zu unserer größten (oder „vollsten“) Zufriedenheit aus.“ Diese Regel gilt für alle Leistungs- und Verhaltensangaben (Bereitschaft, Befähigung, Fachwissen, Arbeitsweise, Führungsleistung, Arbeitserfolg, Verhalten zu Internen und Externen). Ein „motivierter Mitarbeiter“ war demnach nur durchschnittlich motiviert, während ein „stets äußerst motivierter Mitarbeiter“ eine sehr gute Arbeits-bereitschaft vorwies. Unterdurchschnittliche Leistungen werden durch Formulierungen wie z.B. „er war in der Regel motiviert“ oder „er bemühte sich…“ (=erfolglos) zum Ausdruck gebracht.

Eine andere Möglichkeit, Leistung und Verhalten negativ zu bewerten, stellt das sogenannte „beredte Schweigen“ dar. Da in Zeugnissen nur wohlwollende Aussagen gemacht werden dürfen, kann das möglicherweise unbeabsichtigte Auslassen einer Leistungsangabe (z.B. zum Arbeitserfolg) dahingehend interpretiert werden, dass hierzu keine positive Aussage gemacht werden kann und sie deshalb gänzlich entfällt. Zeugnisempfänger sollten daher auf Voll-ständigkeit des Zeugnistextes achten.

Der „Geheimcode“ – Beispiele

-„Seine Auffassungen wusste er intensiv zu vertreten“
(hat ein übersteigertes Selbstbewusstsein)

-„Er war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen“
(ein sehr unangenehmer, überheblicher Mitarbeiter)

-„Allen Aufgaben hat er sich mit großer Begeisterung gewidmet“ (aber ohne Erfolg)

„Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“ (Alkoholkonsum im Dienst)

„Er bewies stets Einfühlungsvermögen für die Belange der Belegschaft“ (bemühte sich um sexuelle Kontakte)

„Er delegierte mit vollem Erfolg“ (Drückeberger)

Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter
(Mit seinen Vorgesetzten hatte er Probleme)

Er war wegen seiner Pünktlichkeit ein gutes Vorbild
(Ein Totalausfall; Die Leistungen waren völlig unzu-reichend)

Er hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt
(Er ist ein Bürokrat, Eigeninitiative ist ein Fremdwort)